Der folgende Text ist ein Auszug aus der von mir neu herausgegebenen und kommentierten Ukraine-Reise Beauplans. Der französische Militäringenieur hat uns mit seiner Beschreibung der Ukraine ein wertvolles historisches Dokument über die kosakische und krimtatarische Kultur im Polen des 17. Jahrhunderts hinterlassen.
Was ihre Gebräuche bei dem Heiraten betrifft, so werden diese manchem neu und unglaublich vorkommen. Hier nämlich werben, wider die Gewohnheit aller Nationen, die Mädchen um die Jünglinge, welche ihnen gefallen, und ein unter ihnen herrschender Aberglaube macht es, dass sie selten ihren Zweck verfehlen; und sie sind der Erreichung ihrer Absicht viel gewisser als die Jünglinge, wenn die Anwerbung von ihrer Seite geschieht.
Sie verfahren hierbei auf diese Art: Das liebende Mädchen begibt sich ins Haus des Vaters des Jünglings, zu einer Zeit, da sie glaubt, dass der Vater, die Mutter und ihr Augapfel beieinander sind, und sagt ihren gewöhnlichen Gruß: Gott segne euch (Pomahaj Boh) beim Eintritt ins Zimmer. Sobald sie sich darin niedergesetzt, spricht sie zu ihrem Liebhaber, indem sie ihn bei seinem Vornamen: Johann, Theodor, Demetrius, Nikolas, Erasmus, Gregorius (Ivan, Fedir, Dmytro, Mykola, Harasim, Hryhoryj) nennt: »Aus einer gewissen ehrlichen Mine in deinem Gesicht schließe ich, dass du deine Frau lieben und gut regieren wirst, und deine Tapferkeit lässt mich hoffen, dass du ein guter Wirt (Hospodar) sein wirst; ich bitte dich daher, mich zur Frau zu nehmen.« Nachdem sie dies gesagt, macht sie den Eltern ein ähnliches Kompliment und bittet sie um ihre Einwilligung zu dieser Heirat. Bekommt sie sodann eine abschlägige Antwort von ihnen, oder sie sagen, dass ihr Sohn noch zu jung zum Heiraten sei, so antwortet sie, dass sie sich nicht von da weg begeben werde, solange er und sie lebe, als bis sie mit ihm verheiratet worden. Besteht nun das Mädchen, nachdem sie obiges gesagt, darauf, und weigert sich das Zimmer zu verlassen, so sind die Eltern nach Verlauf einiger Wochen gezwungen, nicht allein darein zu willigen, sondern auch ihren Sohn zu überreden, dass er ihr freundlich begegne. Der junge Mensch fängt hierauf ebenfalls an, da er sieht, dass das Mädchen darauf besteht, ihm wohl zu wollen, sie als eine solche, die einmal die Beherrscherin seines Willens werden soll, anzusehen, und bittet seine Eltern um Erlaubnis, diesem Mädchen seine Zuneigung zu schenken.
Und so fehlt es den verliebten Mädchen in diesem Lande nicht, sich bald zu versorgen: Denn sie zwingen durch ihr Beharren die Eltern und ihre Liebhaber, ihr Verlangen zu stillen, und zwar durch die Furcht, sonst Gottes Zorn auf sich zu laden und sich ein Unglück zuzuziehen. Denn das Ausstoßen des Mädchens aus dem Hause würde dessen ganze Familie beleidigen, die sich ihretwegen zu rächen suchen würde. Auch haben sie nicht die Macht, in diesem Fall Gewalt auszuüben, weil sie sich dadurch dem Zorn und der Strafe der Kirche aussetzen würden, die dabei sehr streng ist und Buße und große Strafen auferlegt, auch ihre Wohnungen mit Schimpf belegt; sodass sie, da sie auf diese Art und durch Aberglauben in Furcht gesetzt worden, so viel wie möglich das Unglück zu vermeiden suchen, wovon sie ebenso gewiss, als wären es Glaubensartikel, glauben, dass sie es sich durch die Versagung ihrer Kinder an die Mädchen, welche sie verlangen, aufladen würden.
Diese Gewohnheit ist aber nur bei Teuren von gleichem Stande im Gebrauch. In diesem Land sind die Bauern alle gleich reich und es befindet sich ein gar geringer Unterschied unter ihren Gütern. Es findet aber auch eine Liebe zwischen einem Bauern und einem Fräulein durch eine gewisse Gewohnheit und Vorrecht statt. In den Dörfern dieses Landes nämlich herrscht die Gewohnheit, dass sich des Sonntags und Festtags Nachmittags die Bauern mit ihren Weibern und Kindern ins Wirtshaus begeben, wo sie den übrigen Teil des Tages mit Trinken zubringen. Die Jugend aber erwählt anstatt dieses Zeitvertreibs das Tanzen nach dem Dudelsack (Dudy).